Streuobstwiesen sind wertvolle Elemente für die Natur

11. März 2021: Viele Menschen arbeiten sehr gerne in und mit der Natur. Die Anlage einer Streuobstwiese bietet dafür eine ideale Möglichkeit.
Apfelblüte

„Streuobstwiesen prägen zudem das Landschaftsbild, sind wertvolle Elemente für die Natur und stellen Trittsteine zur Verbindung wertvoller Flächen dar“, so Kreisfachberater Andreas Kastner. Dennoch muss bei der Anlage einer Streuobstwiese einiges beachtet werden und auch der Pflegeaufwand sollte kritisch hinterfragt werden. Andreas Kastner: „Vielen ist nicht bewusst, dass ein ausgewachsener Hochstamm ein paar hundert Kilogramm Obst produzieren kann und dieses auch einer Nutzung zugeführt werden sollte.“ Auch das Schneiden von zwanzig oder dreißig Bäumen erfordere einen hohen zeitlichen Aufwand.

Hat man sich für eine Streuobstwiese entschieden, sollte sie auch gepflegt werden. „Streuobst pflanzen und dann verwildern lassen macht nur wenig Sinn, denn die Bäume können sich dann nicht richtig entwickeln. Und lässt man das komplette Fallobst liegen, wird nicht unbedingt eine artenreiche Blumenwiese gefördert“, so der Kreisfachberater. Einen Teil des Fallobsts sollte man dennoch liegen lassen, denn das stehe bei vielen Tieren auf dem Speiseplan und erhöhe damit die Artenvielfalt. Im Winter können z. B. Drosseln oder Amseln am Fallobst beobachtet werden.

Bei der Anlage eine Streuobstwiese ist eine schrittweise Pflanzung ein guter Weg. Hier ist genügend Zeit sich mit dem Obstbaumschnitt und der Materie auseinanderzusetzen. Die gewünschten Sorten können nach und nach ergänzt werden. Andreas Kastner: „Eine sehr gute neuere Apfelsorte ist ‘Florina‘. Bewährt als Tafel- und Backobst hat sich der „Rote Boskoop“. Eine sehr robuste Mostobstsorte ist z. B. der ‘Rheinische Bohnapfel‘. Als Sommeräpfel zum baldigen Verzehr sind ‘Jakob Fischer‘ und auch der ‘Gravensteiner‘ geschmacklich besonders gut.“ Bei den Birnen kann Andreas Kastner ‘Madame Verte‘ oder die ‘Gute Graue‘ trotz der mittleren Anfälligkeit für Feuerbrand als Alternative empfehlen.

Zudem ist auch zu prüfen, ob eine Streuobstwiese in die Umgebung passt. Klar liegen die Vorteile auf der Hand, doch z. B. auf Magerrasen, Biotopflächen oder bei Wiesenbrütern schadet eine Anlage ggf. mehr, als deren Nutzen für die Natur erbringen kann. Auch Kaltluftsenken, nasse oder sehr trockene Bereiche schränken die Pflanzmöglichkeiten ein. In feuchten Bereichen funktionieren eher Äpfel und je nach Unterlage Zwetschgen. Warme Standorte werden von Birnen oder Kirschen bevorzugt. Weiter sind auch ausreichende Abstände zu Wäldern, Hecken oder den Grundstücksgrenzen erforderlich. Von einem Wald oder einer Hecke sind 20 Meter Abstand eine sichere Entfernung, um eine ungestörte Entwicklung der Obstbäume zu gewährleisten. Der Abstand zwischen den Bäumen sollte um die 10 Meter betragen.

Zur Grundstücksgrenze sollten am besten 5 bis 6 Meter Abstand eingehalten werden, auch wenn per Gesetz 2 oder 4 Meter angegeben sind. Damit dürfte kein Konflikt bei überhängenden Ästen oder Fallobst entstehen. „Bei kleines Gärten ist ein gut gepflanzter Baum besser als zwei oder drei, die zu eng stehen und danach wieder entfernt oder zusammengestutzt werden müssen“, so Andreas Kastner.

Vielfach werde mit der Anfrage einer Obstwiese auch eine gewünschte Einzäunung angesprochen, die in der freien Landschaft nicht zulässig ist. Hier bietet ein Einzelstammschutz alle Möglichkeiten, die Bäume ausreichend zu schützen.

Andreas Kastner: „Wer keine eigene Streuobstwiese hat, kann auch bei Eigentümern großer Obstwiesen nachfragen, ob nicht ein Baum in Form einer Patenschaft abgeerntet werden kann.“ Außerdem können viele Menschen im Alter ihre Bäume nicht mehr pflegen und abernten. Auch hier kann eine nutzbringende Partnerschaft zwischen Jung und Alt entstehen.

Die naturschutzfachliche Wertigkeit einer Obstwiese hängt immer vom Nutzungscharakter ab. Bei extensiv gepflegten Obstwiesen kann auch einmal ein Baum im Abgang belassen werden. „Hier bilden sich dann notwendige Lebensräume für selten gewordenen Tierarten. Gerade Baumhöhlen oder Spalten können z. B. für Fledermäuse, Höhlenbrüter, Kleinsäuger oder auch Käfer interessant sein“, so der Kreisfachberater. Der Wiedehopf als besonders auffälliger Vogel kommt vor allem in extensiv genutzten Obstkulturen vor und wurde auch im Landkreis schon gesichtet. Auch der Wendehals kann eine Streuobstwiese oder große Gärten beim Vorhandensein von Bruthöhlen als Lebensraum nutzen. Schmetterlinge, wie das Tagpfauenauge, der Kleine Fuchs oder der Zitronenfalter überwintern als Falter und benötigen vor Nässe geschützte Winterquartiere, wie z.B. Baumhöhlen. Kastner: „Leider werden Bäume mit Baumhöhlen oft voreilig, wegen einer angenommenen Bruchgefahr, gefällt. Um den Strukturreichtum weiter zu erhöhen, können gezielt angelegte Schnittguthaufen oder eine Heckenpflanzung am Rand eine Streuobstwiese bereichern. In Schnittguthaufen überwintern beispielsweise gerne Amphibien oder Igel.“

Das Wort Streuobstwiese beinhaltet auch das Wort Wiese. Diese artenreichen Gesellschaften, wie z. B. Flachlandmähwiesen mit Margeriten, Flockenblumen oder Hahnenfuß bereichern den Lebensraum enorm. Wichtig ist, dass die Wiese insgesamt 1 bis 2 Mal jährlich gemäht und nicht gemulcht wird. Mulchen erstickt die Artenvielfalt und verringert den Nutzen für die Natur. Außerdem müssen nicht alle Bereich jährlich gemäht werden. Vor Hecken können Altgrasstreifen im 2- bis 3-jährigen Turnus gemäht werden, um damit auch Insekten einen Unterschlupf im Winter zu gewähren oder Niederwild eine Möglichkeit geben, sich zu verstecken. Werden zusätzlich noch Nistkästen angebracht oder ein Bereich für Wildbienen vorbereitet, kann eine echt wertvolle Nische in unserer Kulturlandschaft entstehen.

Andreas Kastner: „Bitte denken Sie daran, dass Streuobst nicht nur aus Apfelbäumen besteht. Es gibt Birnen, Kirschen, Zwetschgen oder auch Quitten. An einer Ecke ein Walnussbaum oder versuchsweise eine Esskastanie können eine Pflanzung abrunden.“ Im Landkreis gibt es viele Vereine, die Obst zu Saft pressen, auch kommerzielle Betriebe bieten diese Dienstleistung an. Es gibt also Möglichkeiten der Nutzung jenseits von Apfelkuchen und Kompott. „Bitte gehen Sie mit Bedacht an die Planung heran und binden Sie auch Ihre Kinder oder mögliche Nachfolger mit ein. Ein Obstbestand wird nur erhalten, wenn jemand Interesse aufbringt, denn es handelt sich um ein generationenübergreifendes Projekt“, so Kastner.